Baugeschichte

Bei der Neubauplanung standen an erster Stelle Liturgie und Theologie. Darüber hinaus wurde den Künstlern viel Gestaltungsfreiheit eingeräumt. Den Auftrag erhielten im September 1952 die Architekten Giefer & Mäckler. Im Erläuterungsbericht zum Entwurf der Allerheiligen-Kirche von G&M vom 11. August 1952 heißt es:

„Die Forderung der Ausschreibung einer möglichst starken Verbindung der Opfergemeinde mit dem heiligen Geschehen… haben uns zu der Wahl einer parabolischen Grundrissform geführt. Der Opferaltar steht dabei im Brennpunkt der Parabel und gleichzeitig unter dem Mittelpunkt einer gläsernen Kuppel, die den Altarraum stark zentral belichtet. Die vier den Altar umschließenden Säulen bilden zusammen mit der Kuppel ein festliches Ciborium, sind aber auch statisch konstruktiv bedeutungsvoll, da sie alleine erlauben, einen so breiten frei gespannten Raum zu konstruieren. Die Bankblöcke sind leicht radial dem Altar zugeordnet und bestärken zusammen mit der Krümmung der Rückwand das sich um den Altar versammeln.“

 

Die Grundrissform der Parabel ist eine Weiterentwicklung des traditionellen Langhausbaues mit Chor-Apsis. Neues kennzeichnendes Element: Der absatzlose Übergang des stützenlosen Kirchenraumes in das Halbrund der Apsis.

Die Parabelform lässt sich in die Stilphase der 1950er Jahre eingliedern, obwohl sie bereits vor dem Krieg durchdacht und in der evangelischen Pressa-Kirche 1928 von O. Bartning realisiert worden war. Rudolf Schwarz hatte die Parabel 1938 in seinem Buch "Vom Bau der Kirche" in Bottrop beschrieben und diese Bauidee 1952–57 in der Heilig-Geist-Kirche in Bottrop ausgeführt (außerdem: St. Elisabeth in Koblenz, 1952/53 von Gottfried Böhm, Passauer Peterskirche von Jakob Lill 1963–65). Schwarz betont bezüglich der Parabelform die besondere Bewegung des Raumes. Er schrieb 1960 in seinem Buch "Kirchenbau" über die Bottroper Kirche: "Die Gemeinde…. blickt in eine weite offene Bucht, in der der Altar steht. … Diese Bucht ist die Apsis der Kirche; ihre Wände sind himmlischer Hintergrund, 'theologischer Ort', der den Altar gleichsam hervorbringt. Sie reicht mit offenen Armen bis hinter die Versammlung der Menschen zurück, alles Volk ist in ihr darin, und seine ganze Welt ist heilig durchwirkter Zwischenraum. Das Volk blickt nach vorn in die bergende Bucht, es steht vor dem Thron, seine Bewegung fließt vorwärts und schlägt dann in ihren Rücklauf um… Das ist der Gedanke des 'Heiligen Wurfs': Die Menschen werden zu einer allerheiligsten Stelle vorgetragen und dann von der Bewegung der Ewigkeit zurückgetragen." Ein weiteres wichtiges Element ist der Baldachin und die besondere Betonung des Altares, beides muss im Zusammenhang mit den Ideen der liturgischen Bewegung gesehen werden. Durch sie entstand ein neues Verständnis für die zentrale Bedeutung liturgischer Handlungen und führte so zu einer Neubewertung dieser liturgischen Orte. Der Ort der Wortverkündigung erhält mit der Wiederbelebung des Ambos ebenso neues Gewicht wie der Altar. Er wird wieder, wie in altchristlicher Zeit zum Tisch des Herrn, zum Ort, wo Gott und Mensch sich in der Feier des heiligen Mysteriums begegnen. Dieses Verständnis führte zu einer bewussten Hervorhebung der liturgischen Orte: Der Baldachin ist ein häufig verwendetes Element der Altarauszeichnung in katholischen Kirchen, vor allem der 1950er Jahre. Er erscheint zunächst als frei schwebender Stoffbaldachin (Schweiz), dann als von vier Stützen getragener Gewölbebaldachin (Maria-Hilf-Kirche 1950-51, Giefer & Mäckler; Pforzheimer Kirche von Egon Eiermann) und schließlich als monumental ausgebildeter Baldachin, in Kuppelform oder chorturmartiger Erhöhung. In der Regel sind diese monumentalen Lösungen verbunden mit der zusätzlichen Betonung durch Lichtöffnungen, so wie hier in der Allerheiligenkirche.

 

Unter den vielen bedeutenden Kirchen Frankfurts der 1950er Jahre gilt die Allerheiligenkirche als eigenständiges Werk. Ihre klare liturgische Ausrichtung, die Raumkonstruktion der Parabel, die neuartige Kuppel auf vier Stahlbetonstützen als Baldachin, die besondere Fassadengestaltung mit der gelb-weißen Steinabsetzung und den Heiligenreliefs von Prof. Mettel machen ihre Bedeutung aus.

 

 

Text: Weite Passagen entnommen aus dem Manuskript von Ulrike Schubert M. A., Vortrag zur Allerheiligenkirche am 24.02.2007.